Website der Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste"

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der zweiten Antragsrunde 2022 rund 1,37 Millionen Euro für sieben Projekte im Bereich koloniale Kontexte

Datum 16.12.2022

Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te ver­gibt in der zwei­ten För­der­run­de 2022 rund 1,37 Mil­lio­nen Eu­ro für Pro­ve­ni­enz­for­schungs­pro­jek­te im Be­reich ko­lo­nia­le Kon­tex­te. Auf Emp­feh­lung sei­nes För­der­bei­rats hat der Vor­stand der Stif­tung in Mag­de­burg in die­ser zwei­ten An­trags­run­de ins­ge­samt sie­ben For­schungs­an­trä­gen zu­ge­stimmt.

Erst­mals ist dar­un­ter ein großes For­schungs­pro­jekt zur Ar­chäo­lo­gie: Die Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz un­ter­sucht Ob­jek­te frag­wür­di­ger Her­kunft, die im spä­ten 19. und frü­hen 20. Jahr­hun­dert aus dem Os­ma­ni­schen Reich nach Ber­lin ka­men und sich heu­te in der An­ti­ken­samm­lung, dem Vor­der­asia­ti­schen Mu­se­um und dem Mu­se­um für Is­la­mi­sche Kunst be­fin­den. Zwar exis­tier­ten auch da­mals schon Ge­set­ze ge­gen die il­le­ga­le Aus­gra­bung und die Aus­fuhr von An­ti­ken, den­noch ver­lie­ßen vie­le Ge­gen­stän­de un­recht­mä­ßig das Os­ma­ni­sche Reich, in­dem sie zum Bei­spiel an of­fi­zi­el­len Fund­tei­lun­gen vor­bei aus­ge­führt wur­den. An­hand von Ob­jek­ten aus den Gra­bungs­or­ten Sam'al, Di­dy­ma und Sa­mar­ra (heu­te Tür­kei und Irak) er­forscht ein tür­kisch-deut­sches Team jetzt ex­em­pla­risch, un­ter wel­chen Um­stän­den An­ti­ken er­wor­ben und ins Deut­sche Reich ver­bracht wur­den. Dar­aus soll ein Leit­fa­den ent­wi­ckelt wer­den, der auch an­de­ren Mu­se­en bei der Pro­ve­ni­enz­for­schung an ar­chäo­lo­gi­schen Be­stän­den hel­fen soll.

Die drei wei­te­ren neu ge­för­der­ten Pro­jek­te be­fas­sen sich mit den ehe­ma­li­gen deut­schen Ko­lo­ni­al­ge­bie­ten in Ozea­ni­en. Bei der For­schung am Mu­se­um Na­tur und Mensch in Frei­burg steht ein Schiff im Mit­tel­punkt: Die S.M.S. Cor­mo­ran wur­de un­ter an­de­rem für mi­li­tä­ri­sche Ein­sät­ze und „Straf­ex­pe­di­tio­nen“ ge­gen die ein­hei­mi­sche Be­völ­ke­rung ein­ge­setzt, da­ne­ben sam­mel­ten Be­sat­zungs­mit­glie­der eth­no­gra­fi­sche Ge­gen­stän­de. Das Frei­bur­ger Mu­se­um be­leuch­tet am Bei­spiel der S.M.S. Cor­mo­ran ko­lo­nia­les Sam­meln in Ozea­ni­en und un­ter­sucht Ob­jek­te, die aus den Samm­lun­gen des Ka­pi­tän­leut­nants Paul Wer­ber und des Na­vi­ga­ti­ons­of­fi­ziers Wal­ter Brandt in den Be­stand ka­men. Bei­de wa­ren an so­ge­nann­ten „Straf­ex­pe­di­tio­nen“ be­tei­ligt.

„Straf­ex­pe­di­tio­nen“ spiel­ten nicht nur ei­ne wich­ti­ge Rol­le bei der Aus­übung ko­lo­nia­ler Macht, son­dern führ­ten oft auch zu Plün­de­run­gen und un­recht­mä­ßi­ger Mit­nah­me von Ob­jek­ten und mensch­li­chen Über­res­ten. Des­we­gen hat das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te zwei Wor­king Pa­per zu den „Straf­ex­pe­di­tio­nen“ der deut­schen Ko­lo­nial­macht in Afri­ka und Ozea­ni­en in Auf­trag ge­ge­ben. Sie sind auf www.per­spec­ti­via.net un­ter 10.25360/01-2022-00001 und 10.25360/01-2022-00056 ver­öf­fent­licht.

Das von Bund, Län­dern und kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­den zum 1.1.2015 ge­grün­de­te Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg ist in Deutsch­land zen­tra­ler An­sprech­part­ner zu Fra­gen un­recht­mä­ßig ent­zo­ge­nen Kul­tur­guts. Das Zen­trum wird von der Be­auf­trag­ten der Bun­des­re­gie­rung für Kul­tur und Me­di­en in­sti­tu­tio­nell ge­för­dert und er­hält von dort auch die Mit­tel für sei­ne Pro­jekt­för­de­rung. Das Haupt­au­gen­merk des Zen­trums gilt dem im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gut, ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz. Seit Ja­nu­ar 2019, als das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te um ei­nen Fach­be­reich für ko­lo­nia­le Kon­tex­te er­wei­tert wur­de, ist es auch mög­lich, die För­de­rung von Pro­jek­ten zu be­an­tra­gen, die sich mit Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten be­fas­sen. Seit­dem wur­den ins­ge­samt rund 7,54 Mil­lio­nen Eu­ro für 59 Pro­jek­te in die­sem Be­reich be­wil­ligt.

An­trä­ge für län­ger­fris­ti­ge Pro­jek­te kön­nen je­weils zum 1. Ja­nu­ar und 1. Ju­ni ei­nes Jah­res ein­ge­reicht wer­den, kurz­fris­ti­ge Pro­jek­te kön­nen je­der­zeit be­an­tragt wer­den. An­trags­be­rech­tigt sind al­le Ein­rich­tun­gen in Deutsch­land in öf­fent­lich-recht­li­cher Trä­ger­schaft, die Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten sam­meln, be­wah­ren oder er­for­schen. Da­zu zäh­len Mu­se­en, Uni­ver­si­tä­ten und an­de­re For­schungs­ein­rich­tun­gen. Seit dem 1.1.2021 kön­nen An­trä­ge auch von Ein­rich­tun­gen ge­stellt wer­den, die als ge­mein­nüt­zig an­er­kannt sind und ih­ren Sitz in Deutsch­land ha­ben.