aufgeschlagenes Buch mit Besitzstempel
NS-Raubgut

Restitution von Büchern des Anwalts Ludwig Chodziesner

Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt restituiert Bände aus dem „Buchbestand Ernst Wolff“.

Aus dem „Buchbestand Ernst Wolff“ der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt werden am 14. Februar 2024 Bücher von Ludwig Chodziesner an dessen Nachfahren Paul Chodziesner in den Räumlichkeiten der Moses Mendelssohn Stiftung Berlin zurückgegeben. Dies geschieht im Rahmen des zweijährigen Forschungsprojekts „Buchbestand Ernst Wolff – Forschungen zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut“, das von der Moses Mendelssohn Stiftung Berlin, Manfred Wolff und dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert wird.

1945 war bei Aufräumarbeiten für die Wiedereröffnung der Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg eine mehr als 3000 Bände umfassende Sammlung in den Besitz des Filmunternehmers Ernst Wolff (1903-1963) gelangt, der die Shoa in einem Versteck in Berlin überlebt hatte. Der Buchbestand Ernst Wolffs wurde von dessen Ziehsohn Manfred Wolff der Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt zur wissenschaftlichen Aufarbeitung übergeben. Ausgehend von Namenseinträgen, Exlibris und andere Annotationen werden so die ursprünglichen Eigentümer:innen und mögliche Rechtsnachfolger:innen ermittelt.

Paul Chodziesner ist nun der erste Nachfahre eines durch die Nationalsozialisten enteigneten Juden, dem die Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt Bücher seines Urgroßvaters zurückgeben kann. „Das ist für uns ein sehr bewegender Moment. Wir geben ihm damit ein Stück seiner Familiengeschichte zurück.“, so Julius H. Schoeps, Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung Berlin.

Zum Hintergrund:
Nach 45 Jahren Tätigkeit als Rechtsanwalt wurde Ludwig Chodziesners Zulassung im Juli 1936 gelöscht. Hochbetagt zwang man ihn im Januar 1939 von seiner Villa in Finkenkrug bei Berlin in eine Etagenwohnung in der Speyerer Straße zu ziehen. Die Villa wurde zwangsverkauft. Im September 1942 wurde Ludwig Chodziesner nach Theresienstadt deportiert und starb im Februar 1943 ebendort. Seine Tochter, die bekannte Schriftstellerin und Lyrikerin Gertrud Kolmar (bürgerlich Gertrud Käthe Chodziesner), deportierte man nur wenige Monate nach ihrem Vater. Kurz vor seiner Deportation musste Ludwig Chodziesner die sogenannte Vermögenserklärung ausfüllen. In diesem 16-seitigen Dokument befinden sich unter den aufgeführten Möbeln auch Bücherschränke. In mehreren der Bücher ist der Name „Gertrud Kolmar“ eingetragen. Diese Akten der Vermögensverwertungsstelle sind heute digitalisiert und die Grundlage für die Erforschung der Provenienz von Vermögensgegenständen, die Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus geraubt wurden.

Wir berichteten bereits im April 2023 über das Projekt, hier.