Entziehungen von Kulturgütern in SBZ und DDR – Der Stand der Forschung und die Perspektiven
„In Deutschland sollte jedes Museum und jede Bibliothek lückenlos wissen, auf welchem Weg Bestände in ihr Haus gekommen sind“, fordert Prof. Dr. Uwe M. Schneede, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Er resümiert: „Die Tagung hat gezeigt, dass es an der Zeit ist, die systematische Erkundung der Mechanismen und Strukturen beim staatlichen Kunstraub in der Sozialistischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR mit Nachdruck zu beginnen. Dabei ist zu bedenken, dass es sich um eine gesamtdeutsche Problematik handelt. Denn die im Osten beschlagnahmten Kunstobjekte wurden von der sogenannten „Kommerziellen Koordinierung“ des DDR-Staatsapparates zum allergrößten Teil gegen Devisen in den Westen verkauft, wo sie sich noch heute befinden.“
Mit diesen Ergebnissen schloss am 21.11.2016 die erste fachöffentliche Konferenz zum Themenfeld, die einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu Entziehungen von Kulturgütern in SBZ und DDR bot und neue Forschungsperspektiven eröffnete. Dabei wurde die Komplexität des Forschungsfeldes deutlich. Um zu erforschen, wie Institutionen wie z.B. die Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA) wirkten, sollten zunächst Unterlagen des Bundesarchivs ausgewertet und Zeitzeugen befragt werden. Auch die Rolle der DDR Kommission für Kulturgutschutz gilt es besser zu verstehen. Als ein erstes Projekt könnte die Erforschung eines exemplarischen Falls aus der Aktion „Licht“, in der der DDR Staatsapparat 1962 die forcierte Öffnung von seit mehreren Jahren nicht geöffneten Tresoren landesweit systematisch durchführte, dienen, um Wirkmechanismen offen zu legen. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste erwartet, voraussichtlich 2017 erste notwendige Forschungsmittel für die systematische Erkundung dieser aufgezeigten Fragestellungen bereitstellen zu können.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste versteht sich als nationaler und internationaler zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßiger Enteignungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, also auch in der SBZ und der DDR. Der bisherige Schwerpunkt der Arbeit des Zentrums, NS-Raubgut, wird auch zukünftig der hauptsächliche Fokus bleiben. Die Grundlagenerkundungen zum Themenkomplex der Konferenz eröffnet ein zusätzliches Betätigungsfeld, wenn entsprechende Zuwendungen zur Förderung von Projekten von politischer Seite erfolgen.