Neues Buch zum „Kunstfund Gurlitt“
Der Fall veränderte die Kunstwelt: Als im November 2013 der Fund von schließlich rund 1500 Kunstwerken bei dem Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt publik wurde, machte der angebliche „Nazi-Schatz“ weltweit Schlagzeilen. Nach Abschluss der systematischen Forschungen hat das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste jetzt eine wissenschaftliche Publikation zum „Kunstfund Gurlitt“ in seiner Schriftenreihe „Provenire“ herausgegeben. Der Sammelband, der am Dienstag (5. Mai) erscheint, bündelt den aktuellen Stand der Forschung. Außerdem beleuchtet er bisher weniger bekannte Aspekte des spektakulären Falls, der das öffentliche Bewusstsein für die Dimensionen des NS-Kunstraubs deutlich gestärkt hat und ein entscheidender Impuls für den Ausbau der Provenienzforschung in Deutschland war.
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, hat das Erscheinen der Publikation mit Mitteln aus dem Kulturetat des Bundes gefördert. Dazu erklärte Grütters: „Mit jedem Kunstwerk, das wir als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifizieren und für das eine gerechte und faire Lösung mit den ursprünglichen Eigentümern oder deren Nachkommen gefunden wird, können wir ein wenig zu historischer Gerechtigkeit beitragen. Das sind und bleiben wir den Menschen schuldig, die von den Nationalsozialisten ihres Eigentums und ihrer Rechte beraubt wurden. Deshalb hat die Bundesregierung die systematische Erforschung des Kunstfunds Gurlitt von Anfang an als Teil der historischen Verantwortung Deutschlands zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubs wahrgenommen und gefördert. Der vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste herausgegebene Band bündelt eine bemerkenswerte Fülle an Erkenntnissen zum Kunstfund Gurlitt durch die vom Bund finanzierte Forschung der Taskforce und entsprechender Nachfolgeprojekte. Diese Erkenntnisse können auch über den ‚Fall Gurlitt‘ hinaus dazu beitragen, Provenienzen zu klären und die Wissensbasis der Provenienzforschung zum nationalsozialistischen Kulturgutraub insgesamt zu stärken. Diese Publikation ist nicht etwa ein Schlusspunkt der Aufarbeitung des NS-Kunstraubs, sondern ganz im Gegenteil: Sie ist ein Ausgangspunkt, von dem aus mehr Forschende als bisher mit besserem wissenschaftlichen Rüstzeug der Wahrheit auf den Grund gehen können.“
Hildebrand Gurlitt spielte eine wichtige Rolle als Einkäufer für Hitlers geplantes „Führermuseum“ in Linz, als Händler für Museen und nicht zuletzt in der Verwertung sogenannter „Entarteter Kunst“. Die Beiträge des Bandes widmen sich unter anderem Gurlitts umfangreicher Tätigkeit auf dem französischen und niederländischen Kunstmarkt und seinem Netzwerk in der Nachkriegszeit. Neben den Erkenntnissen über Strukturen und Akteure des NS-Kunsthandels macht das Buch bewusst auch die Lücken und Fehlstellen in der Forschung transparent und zeigt Ansätze für die weitere Aufarbeitung.
Gilbert Lupfer, wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste und Mitherausgeber des Bandes, sagte hierzu: „Wir wissen heute, gut sechs Jahre nach dem Bekanntwerden des ,Schwabinger Kunstfunds‘, sehr viel mehr beispielsweise über die Kunstverschiebungen im besetzten Frankreich oder in den Niederlanden als zuvor. Es ist sehr erfreulich, dass etliche der Forscherinnen und Forscher, die bereits zur Aufklärung des ,Kunstfundes‘ maßgeblich beigetragen haben, bereit waren, ihre meist noch unveröffentlichten Forschungsergebnisse für diesen Band zur Verfügung zu stellen.“
„Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung“, herausgegeben von Andrea Baresel-Brand, Nadine Bahrmann und Gilbert Lupfer ist als zweiter Band der Schriftenreihe „Provenire“ im Verlag De Gruyter erschienen (188 Seiten, 39.95 Euro).
In der Schriftenreihe „Provenire“ veröffentlicht das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste wissenschaftliche Beiträge aus dem Bereich Provenienzforschung.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ist eine 2015 vom Bund, den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden gegründete Stiftung. Es ist in Deutschland national und international der zentrale Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßiger Entziehungen von Kulturgut. Das Hauptaugenmerk des Zentrums gilt hierbei dem im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz. Das Zentrum versteht seine Arbeit als wichtigen Beitrag zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts.