Quelle, Beweis, sensibles Objekt

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste widmet seine aktuelle Jahrestagung dem Thema „Provenienzforschung und Fotografie“.

Mal bringen sie die Lösung eines komplizierten Falles, mal geben sie neue Rätsel auf. Manchmal sind sie Beweis für einen Raub und manchmal das letzte Lebenszeugnis eines ermordeten Menschen: Die Bedeutung von Fotografien für die Provenienzforschung ist das Thema der Jahrestagung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste am 18. und 19. April 2024 mit rund 180 angemeldeten Teilnehmer:innen in der Bibliotheca Albertina der Universitätsbibliothek Leipzig.

„Die Auseinandersetzung mit dem Quellenwert von Fotografien, mit ihrem Wahrheitsversprechen und den Möglichkeiten ihrer Manipulation gehört zu den Herausforderungen der Provenienzforschung“, so Gilbert Lupfer, der Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. „Die kritische Diskussion über den Umgang mit Fotografien ist aber viel weniger intensiv und breit als die über den professionellen Umgang mit schriftlichen Quellen. Das wollen wir mit unserer Jahrestagung in Leipzig ändern.“

Rund 30 Wissenschaftler:innen zeigen bei der Tagung unter dem Titel „Provenienzforschung und Fotografie“ unter anderem auf, welche Rolle Fotografien bei der Suche nach geraubten Kulturgütern spielen können – auch dann, wenn die Aufnahmen einmal ganz anderen Zwecken dienten. Private Schnappschüsse, aber auch Fotos aus Verwaltungsakten können heute wertvolle Hinweise auf in der NS-Zeit entzogene Kunstsammlungen liefern. Diskriminierende „rassekundliche“ Fotografien können Aufschluss über die Schicksale verfolgter Menschen geben. Seltene Aufnahmen aus privaten Kunsthandlungen erzählen vom bedrohten Nischendasein in der DDR, wo Sammler:innen und Händler:innen lieber unter dem staatlichen Radar blieben.

Doch die Fotografien müssen sich auch kritische Fragen gefallen lassen: Was zeigen historische Aufnahmen und was verbergen sie? Welche Machtverhältnisse spiegeln sich im fotografischen Blick von Kolonialbeamten oder Archäologen auf Länder, Bewohner:innen, Objekte? Wie können Zeugnisse von Gewalt heute gezeigt werden, ohne den Opfern ein weiteres Mal ihre Würde zu nehmen? Und schließlich wirft die Fotografie als Objekt die schwierige Frage auf: Wie restituiert man ein reproduzierbares, digital speicherbares Bild?

Das vollständige Programm ebenso wie Abstracts und Vitae der Referent:innen finden Sie unter: https://kulturgutverluste.de/termine/Konferenz2024   

Die Tagung findet in Präsenz statt, wird aber zusätzlich live auf dem YouTube-Kanal des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste übertragen und kann unter diesem Link verfolgt werden: https://www.youtube.com/watch?v=SPVuQT1sKLw. Eine Aufzeichnung wird im Nachgang als Veranstaltungsdokumentation zur Verfügung stehen.

Zur Tagung hat das Zentrum sein Periodikum „Provenienz & Forschung“ 2023 dem Thema „Fotografien“ gewidmet, bestellbar beim Sandstein Verlag Dresden (Printausgabe) und als kostenfreie elektronische Ausgabe auf perspectivia.net unter https://doi.org/10.25360/01-2023-00043 im Open Access abrufbar. Auf dem Blog des Zentrums sind ebenfalls einige Beiträge zum Thema „Provenienzforschung und Fotografie“ erschienen.

Das von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zum 1.1.2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ist in Deutschland zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Das Zentrum wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert und erhält von dort auch die Mittel für seine Projektförderung. Das Hauptaugenmerk des Zentrums gilt dem im Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz. Daneben zählen Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter sowie Kulturgutentziehungen in SBZ und DDR zu den Handlungsfeldern des Zentrums.

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