Berliner Mäzenatentum. Die Kunstsammlung Rudolf Mosse (1843—1920). Aufbau — Bedeutung — Verlust

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Kunsthistorisches Institut der Freien Universität
Bundesland:
Berlin
Ansprechpartner:
Dr. Meike Hoffmann

Positionwissenschaftliche Mitarbeiterin, Projektkoordinatorin

E-Mailmeikeh@zedat.fu-berlin.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
Beschreibung:

a. Vorstellung des Zuwendungsempfängers

Auf Empfehlung von Isabel Pfeiffer-Poensgen (damals Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder) sowie Hermann Parzinger (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) – den InitiatorInnen der Mosse Art Research Initiative (MARI) – ist das Projekt am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin angesiedelt worden, einer von Restitutionsansprüchen unbelasteten und daher neutralen öffentlichen Einrichtung.

b. Einführung in den Forschungsgegenstand

Gegenstand des Forschungsprojekts war die Kunstsammlung des deutsch-jüdischen Verlegers Rudolf Mosse (1843–1920), der zu den einflussreichsten Akteuren der Berliner Wirtschaftselite im Kaiserreich gehörte. Als wohlhabender Mann trug Mosse in seinem Stadtpalais am Leipziger Platz in Berlin eine umfangreiche Kunstsammlung von Gemälden, Arbeiten auf Papier, Kunsthandwerk, Antiken, Ägyptischen Altertümern, Ostasiatika und Benin-Bronzen zusammen. Der Schwerpunkt der Sammlung lag auf der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts. Eine Besonderheit stellte der Anteil an Skulpturen und Plastiken dar, die allein aufgrund der Größe selten von Privatleuten gesammelt wurden. Zudem erwarb Mosse

die umfangreiche Bibliothek des Literaturwissenschaftlers Erich Schmidt.

Nach Rudolf Mosses Tod 1920 und dem seiner Ehefrau Emilie vier Jahre später erbte deren einzige (Adoptiv-)Tochter, Erna Felicia, das gesamte Vermögen. Ihr Ehemann Hans Lachmann-Mosse erhielt die Generalvollmacht für den Konzern. Während der 1920er-Jahre geriet die Mosse oHG durch Inflation und Weltwirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten.

Ab Frühjahr 1933 stand der Verlagskonzern im Visier der durch Joseph Goebbels forcierten Gleichschaltung des Pressewesens. Parallel dazu wurde die Versteigerung der Kunstsammlungen von Rudolf Mosse sowie von Felicia und Hans Lachmann-Mosse vorbereitet (29./30.05.1934 Auktionshaus Rudolf Lepke; 6./7.06.1934 Auktionshaus Union).

Von dem Liquidationserlös erhielt das Ehepaar keine Anteile.

In den 1950er Jahren wurde Felicia Lachmann-Mosse im Rahmen ihres Wiedergutmachungsverfahrens bestätigt, seit April 1933 die freie Verfügung über ihr Privatvermögen verloren zu haben. Ansprüche in Betreff der 1934 versteigerten Kunstsammlungen musste sie jedoch zurückziehen, da sie den notwendigen „Verbringungsnachweis“ der Werke nicht leisten konnte. Dieser Sachstand war gut 60 Jahre später Ausgangspunkt für die Wiederaufnahme der Suche nach den verlorenen Kunstwerken durch Rudolf Mosses Erben.

c. Überblick über das Forschungsvorhaben: Ausgangsfragen und Zielsetzung

Ziel des Projektes war es, die ehemalige Mosse Sammlung soweit wie möglich zu rekonstruieren und den Standort der einzelnen Werke zu lokalisierten. Dabei war MARI vor die vielfache Herausforderung gestellt, die Werke der sehr heterogenen Sammlung, von denen zum Teil nur rudimentäre Angaben überliefert waren, zunächst zu identifizieren, bevor mit der Erforschung des Verbleibs bis zum heutigen Standort begonnen werden konnte.

Über die Einzelwerkrecherche hinaus galt es die Entstehungsgeschichte der Sammlung im Kontext der damaligen Zeit zu ermitteln. Was motivierte Rudolf Mosse welche Kunstwerke bei wem zu welchen Konditionen zu erwerben? Was sagt das Profil seiner Kunstsammlung über ihn selbst aus? Was verbindet Mosse mit anderen Sammlern seiner Zeit, was unterscheidet ihn von diesen? Die Ausgangsfragen dienten ebenso der Klärung von Unrechtskontexten vor 1933, wie Mosses Erwerbungen der Benin-Bronzen, der Ostasiatika oder Ägyptika. Vor allem musste die wirtschaftliche Situation des Mosse-Konzerns erforscht werden, die Gleichschaltungsmechanismen des Pressewesens gleich nach 1933 sowie die individuelle Verfolgungssituation der Familie und die Emigrationswege der einzelnen Mitglieder, um auf Grundlage der Befunde die bisher wenig erforschten frühen Enteignungsstrategien des NSRegimes und die Kontrollregelungen von Auktionen durch die Reichskammer der bildenden Künste vor Erlass der Nürnberger Rassengesetze erfassen zu können.

(c) Kunsthistorisches Institut der Freien Universität