Zweifelhafte Provenienzen im Bestand der Stadtbibliothek Hannover

Förderbereich:
NS-Raubgut
Zuwendungs­empfänger:
Landeshauptstadt Hannover
Forschungseinrichtung:
Stadtbibliothek Hannover
Bundesland:
Niedersachsen
Ansprechpartner:
Dr. Carola Schelle-Wolff

PositionProjektverantwortliche

E-Mail41@hannover-stadt.de

Jenka Fuchs, M.A.

PositionProjektbearbeitung

E-MailJenka.Fuchs@hannover-stadt.de

Projekttyp:
Langfristig
Projektlaufzeit:
bis
bis
bis
Beschreibung:

Ausgangslage und Zielsetzung

Die Stadtbibliothek Hannover verfügt auf Grund ihrer 580-jährigen Geschichte und ihres langjährigen wissenschaftlichen Anspruchs über umfangreiche Altbestände. Darunter befindet sich eine große Anzahl an potentiellem NS-Raubgut. Nachdem in Folge der Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung seit Anfang der 2000er Jahre erste stichprobenartige Bestandsprüfungen vorgenommen worden waren, hat die Einrichtung mit dem Projekt „Zweifelhafte Provenienzen im Bestand der Stadtbibliothek Hannover begonnen, systematisch in ihren Beständen nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Objekten zu suchen. Ziel des Forschungsprojekts war es, in den Beständen der Stadtbibliothek Hannover vorhandenes NS-Raubgut ausfindig zu machen, dieses auf Spuren von Vorbesitzern hin zu überprüfen und zu dokumentieren. Weiter ging es darum, die als Raubgut identifizierten Bücher, wo es möglich war, an ihre rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Erben oder Rechtsnachfolger zu restituieren. Da zum Bibliothekstyp öffentliche Bibliothek („Volksbücherei) bislang nur wenige Provenienz- bzw. NS-Raubgut-Forschungsarbeiten vorliegen, zielte das Projekt auch darauf ab, einen Beitrag zur Grundlagenforschung zu leisten. Zeitlich konzentrierte sich die Untersuchung auf Zugänge aus den Jahren 1945 bis 1955 (insgesamt 96.363 Inventarnummern). Der Grund für die Wahl dieses Untersuchungszeitraums liegt in der Bestandsgeschichte der Stadtbibliothek: Infolge eines Bombenangriffs im Oktober 1943 wurden über 50 Prozent des damals ca. 180.000 Bände umfassenden Gesamtbestands zerstört, darunter auch NS-verfolgungsbedingt entzogene Werke. Die Zahl des heute noch vorhandenen Raubguts dürfte daher bei den Büchern, die nach Kriegsende in den Stadtbibliotheksbestand gelangt sind, höher sein. Dennoch ist es ein Desiderat, die u. a. von Veronica Albrink 2006 formulierte These zu überprüfen, dass die Stadtbibliothek Hannover in der NS-Zeit eine Haupt-Profiteurin der ‚Verwertung geraubter Bücher in der Region Hannover war. Ein entsprechendes Projekt zur Prüfung der Zugänge aus den Jahren 1933 bis 1945 ist im Oktober 2020 angelaufen.

Untersuchungsschwerpunkte

Der Fokus des Projekts „Zweifelhafte Provenienzen im Bestand der Stadtbibliothek Hannover lag auf drei Zugangsgruppen der frühen Nachkriegszeit, die auf Grund der Lieferantenangaben in den Zugangsbüchern als besonders raubgutverdächtig einzustufen sind: „Geschenke der Gestapo und der Anstalt für germanische Volks- und Rassenkunde von 1945 sowie eine 1946 getätigte Übernahme vom Archiv und Museum des NSDAP-Gaus Südhannover-Braunschweig.

Das Projekt in Zahlen

Insgesamt konnten 5683 Bücher und lose Exlibris autoptisch überprüft werden. Davon sind 1931 Objekte auf Grund der Lieferantenangaben und/oder vorhandener relevanter Provenienzspuren als NS-Raubgut-verdächtig einzustufen. Dies entspricht einer Quote von rund 34%. Von den verdächtigen Objekten tragen 1520 Provenienzhinweise, die konkrete Rückschlüsse auf frühere Besitzer zulassen. In 48 Fällen konnte der Raubgut-Verdacht eindeutig bestätigt werden. Die betreffenden Bücher gingen der Stadtbibliothek vor allem über die Gestapo und das NSDAP-Gauarchiv zu und stammen aus jüdischem Besitz sowie aus dem Besitz von den Nationalsozialisten z.B. aus politischen Gründen verfolgter Personen und Organisationen. In 1346 Fällen sind zur Provenienzklärung weitere Recherchen erforderlich. In 7 der 48 eindeutigen NS-Raubgut-Fälle konnten die rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Erben erfolgreich ermittelt und die Bücher an diese zurückgegeben werden.

Transparenz

Die Ergebnisse des Projekts wurden auf vielfältige Weise öffentlich transparent gemacht: u.a. durch die Publikation von Aufsätzen, die Platzierung von Projektinformationen auf der Website der Stadtbibliothek Hannover, Medienarbeit, im Zuge der Kooperation mit Fachkollegen sowie im Rahmen der Ausstellung „Spuren der NSVerfolgung. Über Herkunft und Verbleib von Kulturgütern in den Sammlungen der Stadt Hannover (06.12.2018 16.06.2019, Museum August Kestner, Hannover). Eine öffentliche Dokumentation der im Rahmen des Projekts erhobenen Forschungsdaten erfolgte in der kooperativen Provenienzdatenbank Looted Cultural Assets (http://lootedculturalassets.de).

(c) Landeshauptstadt Hannover, Stadtbibliothek Hannover

Veröffentlichungen:
Fuchs: Spurensuche in der Stadtbibliothek Hannover. Forschungen zu NS-Raubgut in Erwerbungen nach 1945, 2019.
Ausstellungen:
Spuren der NS-Verfolgung. Provenienzforschung in den kulturhistorischen Sammlungen der Landeshauptstadt Hannover