Rafael Cardoso in der digitalen Gesprächsreihe mit Nachkommen jüdischer Kunstsammler:innen 2022
Rafael Cardoso, geboren in Brasilien, wusste lange nichts vom Schicksal seines Urgroßvaters Hugo Simon. Erst nachdem er im Nachlass seiner Großeltern in São Paulo eine Kommode voller Dokumente gefunden hatte, begann er, die Verfolgungsgeschichte seiner deutsch-jüdischen Familie aufzuarbeiten. Der Bankier, Pazifist und Politiker Hugo Simon (1880-1950) war im Berlin der 1920er Jahre ein einflussreicher Mann; nach der Novemberrevolution 1918 wurde er kurzzeitig sogar preußischer Finanzminister für die USPD. Bestens vernetzt im Kulturbetrieb, war Simon maßgeblich beteiligt an der Einrichtung der Neuen Abteilung an der Nationalgalerie. Er selbst besaß eine der bedeutendsten Kunstsammlungen in Berlin mit rund 200 Werken. Als Hugo Simon 1933 aus Deutschland fliehen musste, konnte er zwar den Großteil der Sammlung ins Aulsand bringen, musste aber ab 1934 sukzessive Kunstwerke verkaufen und verlor andere während der deutschen Besatzung in Paris. Am Kriegsende im brasilianischen Exil konnte Hugo Simon nur noch über wenige Werke verfügen. Sein Urenkel Rafael Cardoso widmet sich in einem vom Zentrum geförderten Projekt zusammen mit dem Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg der Rekonstruktion der Sammlung und der Suche nach ihrem Verbleib.
Prof. Dr. Rafael Cardoso ist Kunsthistoriker und Schriftsteller und lebt heute in Berlin.
Catherine Hickley schreibt als Journalistin u.a. für das „Art Newspaper“ und die „New York Times“. Außerdem ist sie Chef-Kuratorin des Berend Lehmann Museums in Halberstadt.
Hinweis: Das Gespräch fand in englischer Sprache statt.