Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der ersten Antragsrunde 2020 rund 650.000 Euro für fünf Forschungsprojekte im Bereich koloniale Kontexte

Um die Provenienz von Objekten aus kolonialen Kontexten in deutschen Einrichtungen zu klären, hat der Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg in der ersten Antragsrunde 2020 fünf neuen Forschungsanträgen von Museen und Universitäten zugestimmt.

Wie ka­men wert­vol­le an­ti­ke Glä­ser aus Sy­ri­en nach Mainz und wa­rum gibt es bis heu­te mensch­li­che Über­res­te aus Afri­ka in der Ro­sto­cker Ana­to­mie? Seit auch in Deutsch­land die De­bat­te über den Um­gang mit Ob­jek­ten aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten Fahrt auf­ge­nom­men hat, stel­len sich In­sti­tu­tio­nen hier­zu­lan­de ver­stärkt Fra­gen nach der Her­kunft ih­rer Be­stän­de.

Um die Pro­ve­ni­enz von Ob­jek­ten aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten in deut­schen Ein­rich­tun­gen zu klä­ren, hat nun der Vor­stand des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg auf Emp­feh­lung sei­nes För­der­bei­rats in der ers­ten An­trags­run­de 2020 fünf neu­en For­schungs­an­trä­gen von Mu­se­en und Uni­ver­si­tä­ten zu­ge­stimmt und da­für ins­ge­samt zu­nächst 653.200 Eu­ro För­der­geld be­wil­ligt.

Da­bei rich­tet sich der Fo­kus nicht nur auf Ob­jek­te aus eth­no­lo­gi­schen Mu­se­en, son­dern auch auf sol­che in ar­chäo­lo­gi­schen und na­tur­kund­li­chen Samm­lun­gen.

So er­forscht das Rö­misch-Ger­ma­ni­sche Zen­tral­mu­se­um, Leib­niz-For­schungs­in­sti­tut für Ar­chäo­lo­gie in Mainz jetzt die Her­kunft ei­nes Kon­vo­luts von an­ti­ken Glä­sern aus Sy­ri­en, die ver­mut­lich beim Bau der Bag­dad­bahn zwi­schen 1912 und 1914 in Sy­ri­en ge­fun­den wur­den. Die Ob­jek­te er­zäh­len auch vom ko­lo­ni­al ge­präg­ten An­ti­ken­han­del in den 1910er Jah­ren.

Das Pro­jekt des Mu­se­ums für Na­tur­kun­de Ber­lin un­ter­sucht aus­ge­hend vom Netz­werk des Kus­tos der Säu­ge­tier­samm­lung, Paul Mat­schie, der zwi­schen 1890 und 1926 an der Samm­lung tä­tig war, die grund­sätz­li­chen, ko­lo­ni­al ge­präg­ten Struk­tu­ren bei der Be­schaf­fung na­tur­kund­li­cher Ob­jek­te.

Großes Ge­wicht hat nach wie vor die Klä­rung der Her­kunft von mensch­li­chen Über­res­ten. Das In­sti­tut für Ana­to­mie und der Ar­beits­be­reich Ge­schich­te der Me­di­zin der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ro­stock neh­men ei­ne Samm­lung mensch­li­cher Über­res­te un­ter die Lu­pe, die zum Teil aus ehe­ma­li­gen Ko­lo­ni­en stam­men. Vor rund hun­dert Jah­ren hat­te der Me­di­zi­ner Fried­rich Mer­kel ei­ne „Ras­sen­schä­del­samm­lung“ be­grün­det. Das Pro­jekt in Ro­stock soll nicht nur der wis­sen­schaft­li­chen Auf­ar­bei­tung die­nen, son­dern auch ei­ne Grund­la­ge schaf­fen, um mit den Her­kunfts­ge­sell­schaf­ten in Dia­log über mög­li­che Rück­ga­ben zu tre­ten.

Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg ist na­tio­nal und in­ter­na­tio­nal der zen­tra­le An­sprech­part­ner zu al­len Fra­gen un­recht­mä­ßig ent­zo­ge­nen Kul­tur­gu­tes. Seit Ja­nu­ar 2019, als das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te auf­grund ei­nes För­der­man­dats des Stif­tungs­rats um ei­nen Fach­be­reich für ko­lo­nia­le Kon­tex­te er­wei­tert wur­de, ist es mög­lich, die För­de­rung von Pro­jek­ten zu be­an­tra­gen, die sich mit Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten be­fas­sen.

An­trä­ge für län­ger­fris­ti­ge Pro­jek­te kön­nen je­weils zum 1. Ja­nu­ar und 1. Ju­ni ei­nes Jah­res ein­ge­reicht wer­den. An­trags­be­rech­tigt sind al­le Ein­rich­tun­gen in Deutsch­land in öf­fent­lich-recht­li­cher Trä­ger­schaft, die Kul­tur­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten sam­meln, be­wah­ren oder er­for­schen. Da­zu zäh­len Mu­se­en, Uni­ver­si­tä­ten und an­de­re For­schungs­ein­rich­tun­gen.