Deutsches Zentrum Kulturgutverluste bewilligt in der zweiten Förderrunde 2021 rund 2,1 Millionen Euro für 20 Projekte der Provenienzforschung im Bereich „NS-Raubgut“
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste hat in der zweiten Förderrunde dieses Jahres Anträgen für 20 Forschungsprojekte im Bereich „NS-Raubgut“ zugestimmt. Der Vorstand der Stiftung mit Sitz in Magdeburg bewilligte auf Empfehlung seines Förderbeirates rund 2,1 Millionen Euro für Provenienzforschung an Museen, Bibliotheken, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie für vier private Antragsteller.
So erhält beispielsweise die Evangelische Akademie Tutzing im Schloss Tutzing am Starnberger See als eine der ersten kirchlich getragenen Einrichtungen Mittel vom Zentrum, um Objekte auf NS-verfolgungsbedingten Entzug zu untersuchen. Das Schloss war von seinem einstigen Besitzer, dem 1930 verstorbenen jüdisch-ungarischen Kunstsammler Marczell von Nemes, reich ausgestattet worden. Der spätere Eigentümer Albert Hackelsberger und seine Familie wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, vom ursprünglichen Mobiliar und den Kunstgegenständen ist heute nur noch wenig in Tutzing vorhanden.
Auch die Sammlungen eines anderen Schlosses werden unter die Lupe genommen: Geprüft werden etwa 160 Objekte der ehemaligen Privatsammlung Philipp Prinz von Hessens, die sich größtenteils im Museum Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda befinden. Philipp Prinz von Hessen war seit 1930 Mitglied der NSDAP und der SA, stand in engem Kontakt zu Adolf Hitler und Hermann Göring und war als Sonderbotschafter sowie als Kunstagent unter anderem für den „Sonderauftrag Linz“ in Italien unterwegs. Nachdem mehrere Objekte im Museum Schloss Fasanerie aufgetaucht sind, bei denen es sich um verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt oder handeln könnte, will die Kulturstiftung des Hauses Hessen den Bestand nun systematisch auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut untersuchen.
Der Suche nach den Erben von geraubtem Gut widmet sich die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Sie hat zahlreiche Bücher aus dem Nachlass des Rabbiners Emil Davidovič (1912-1986) als NS-Raubgut identifiziert. Der größte Teil der untersuchten Bücher stammt aus dem riesigen Bestand an NS-Raubgut, der während der „Protektoratszeit“ im sogenannten Jüdischen Zentralmuseum Prag und in Theresienstadt zusammengetragen worden war. Das Projekt in Heidelberg ist das zweite Projekt zur Erbenermittlung, seit diese Fördermöglichkeit des Zentrums 2019 neu eingeführt wurde.
Bund und Länder haben seit 2008 die Provenienzforschung im Bereich NS-Raubgut mit insgesamt 41,7 Millionen Euro gefördert, mit denen bislang 400 Projekte realisiert werden konnten. Das von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zum 01.01.2015 gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg ist in Deutschland zentraler Ansprechpartner zu Fragen unrechtmäßig entzogenen Kulturguts. Das Zentrum wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien institutionell gefördert und erhält von dort auch die Mittel für seine Projektförderung. Anträge für längerfristige Projekte können jeweils bis zum 1. Januar und 1. Juni eines Jahres eingereicht werden.
Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fördert nicht nur Forschungsprojekte, es dokumentiert darüber hinaus Kulturgutverluste auch in seiner öffentlich zugänglichen Datenbank „Lost Art“ als Such- und Fundmeldungen. Die Ergebnisse der geförderten Projekte stellt das Zentrum in seiner Forschungsdatenbank „Proveana“ unter www.proveana.de dar.
Eine Übersicht der geförderten Projekte befindet sich im Anhang.
Deutsches Zentrum Kulturgutverluste
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