Projekt Gurlitt identifiziert Gemälde von Thomas Couture als NS-Raubkunst

Das Gemälde „Portrait de jeune femme assise“ (Porträt einer sitzenden jungen Frau) gehörte dem hochrangigen jüdischen Politiker und Nazi-Gegner Georges Mandel.

Ein repariertes winziges Loch führte die Provenienzforscher auf die Spur zu Georges Mandel. Das Team des Projekts Provenienzrecherche Gurlitt konnte das Gemälde „Portrait de jeune femme assise“ (Porträt einer sitzenden jungen Frau) von Thomas Couture anhand dieses Details als NS-Raubkunst identifizieren. Das Kunstwerk gehörte einem der berühmtesten französischen Opfer des Nazi-Regimes: der hochrangige jüdische Politiker und Nazi-Gegner Georges Mandel wurde von den Nationalsozialisten als „Ehrenhäftling“ in den deutschen Lagern festgehalten und im Juli 1944 von der französischen Miliz im Wald von Fontainebleau ermordet. Seine Pariser Wohnung war schon früh Ziel deutscher Raubkunst-Organisationen.

Kul­tur­staats­mi­nis­te­rin Mo­ni­ka Grüt­ters er­klär­te: „Dass es den For­sche­rin­nen und For­schern mit wis­sen­schaft­li­cher Akri­bie und Be­harr­lich­keit ge­lun­gen ist, das Ge­mäl­de von Tho­mas Cou­ture als NS-Raub­kunst zu iden­ti­fi­zie­ren, zeigt ein­mal mehr, wie wich­tig es ist, in der Pro­ve­ni­enz­for­schung nicht nach­zu­las­sen. Ich hof­fe sehr, dass die­ses Werk schnell an die Nach­kom­men des ur­sprüng­li­chen Be­sit­zers zu­rück­ge­ge­ben wer­den kann. Wir sind es den Men­schen, die von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ver­folgt, ih­res Ei­gen­tums und ih­rer Rech­te be­raubt und viel­fach er­mor­det wur­den, schul­dig, al­les für die rück­halt­lo­se Auf­klä­rung des na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kunst­raubs zu tun. Es ist und bleibt un­se­re mo­ra­li­sche Pflicht, in Fäl­len NS-ent­zo­ge­ner Kunst­wer­ke für fai­re und ge­rech­te Lö­sun­gen zu sor­gen.”

Ein win­zi­ges tech­ni­sches De­tail führ­te das Team des Pro­jekts Pro­ven­ienz­re­cher­che Gur­litt auf die Spur zu Ge­or­ges Man­del. Auf den ers­ten Blick und mit bloßem Au­ge kaum er­kenn­bar, weist das Por­trät ei­ner sit­zen­den jun­gen Frau von Tho­mas Cou­ture aus dem Kunst­fund Gur­litt in Brust­hö­he der Por­trä­tier­ten ein re­pa­rier­tes Loch auf. Und ge­nau die­se In­for­ma­ti­on no­tier­te sich je­mand, wohl die le­gen­däre fran­zö­si­sche Kunst­schüt­ze­rin Ro­se Valland, im Zu­ge der of­fi­zi­el­len An­spruchsan­mel­dung gleich nach dem Krieg. Das ver­lo­re­ne Cou­ture-Ge­mäl­de war al­ler­dings nur va­ge be­schrie­ben, was an­ge­sichts der zahl­rei­chen Por­träts von Da­men der Ge­sell­schaft durch den be­lieb­ten Künst­ler ei­ne Her­aus­for­de­rung für die Pro­ve­ni­enz­for­schung war. Die klei­ne hand­schrift­li­che No­tiz je­doch brach­te die Pro­ve­ni­enz­for­scher auf die Spur. Mit­hil­fe der Re­stau­ra­to­rin­nen der Bun­des­kunst­hal­le, wo sich das Bild im Zu­ge der Aus­stel­lungs­vor­be­rei­tung für die „Be­stands­auf­nah­me Gur­litt“ be­fin­det, wur­de das Gur­litt-Bild er­neut pe­ni­bel un­ter­sucht und so ent­deckt, dass sich auf Brust­hö­he ein re­pa­rier­tes Loch be­fin­det. Ein wei­te­res ent­schei­den­des Do­ku­ment, un­ter­zeich­net von Eber­hard Frei­herr von Küns­berg, fand sich im Po­li­ti­schen Ar­chiv des Aus­wär­ti­gen Amts in Ber­lin:

„In Aus­füh­rung des […] Auf­trags zur Si­che­rung des jü­di­schen Kunst­be­sit­zes in Frank­reich wur­den un­ver­züg­lich die Vor­ar­bei­ten durch­ge­führt [... Ich (Küns­berg) er­reich­te die] Ge­neh­mi­gung zum Ein­satz der Geh. Feld­po­li­zei zur Si­cher­stel­lung des jü­di­schen Kunst­be­sit­zes und zur Ver­brin­gung in den Ge­wahr­sam der deut­schen Bot­schaft. Die neue Ak­ti­on bei der eben­falls meh­re­re Sach­ver­stän­di­ge mei­ner Kom­mis­si­on be­tei­ligt sind, hat heu­te mit der Durch­su­chung der Woh­nung des Ju­den Man­del be­gon­nen.“
In­fol­ge­des­sen wur­den dann ver­mut­lich ei­ne Rei­he von Kunst­wer­ken, höchst­wahr­schein­lich dar­un­ter das Cou­ture-Bild, in die Deut­sche Bot­schaft Pa­ris ver­bracht.

Auf das Cou­ture-Ge­mäl­de aus dem Nach­lass von Cor­ne­li­us Gur­litt wur­de ein Her­aus­ga­be­an­spruch an­ge­mel­det. Das Pro­jekt Pro­ven­ienz­re­cher­che Gur­litt hat die An­spruch­stel­ler über sei­ne For­schungs­er­geb­nis­se in­for­miert. So­mit han­delt es sich um den sechs­ten Raub­kunst­fall, der seit Ein­set­zung der Taskfor­ce Schwa­bin­ger Kunst­fund von den For­schern auf­ge­deckt wer­den konn­te.

Das bei Herrn Cor­ne­li­us Gur­litt in Schwa­bing auf­ge­fun­de­ne Ge­mäl­de ist seit 2013 über die Lo­start-Da­ten­bank pu­bli­ziert (www.lo­start.de/DE/Fund/478471).

Ein re­pa­rier­tes win­zi­ges Loch führ­te die Pro­ve­ni­enz­for­scher auf die Spur zu Ge­or­ges Man­del. Das Team des Pro­jekts Pro­ven­ienz­re­cher­che Gur­litt konn­te das Ge­mäl­de „Por­trait de jeu­ne fem­me as­si­se“ (Por­trät ei­ner sit­zen­den jun­gen Frau) von Tho­mas Cou­ture an­hand die­ses De­tails als NS-Raub­kunst iden­ti­fi­zie­ren. Das Kunst­werk ge­hör­te ei­nem der be­rühm­tes­ten fran­zö­si­schen Op­fer des Na­zi-Re­gimes: der hoch­ran­gi­ge jü­di­sche Po­li­ti­ker und Na­zi-Geg­ner Ge­or­ges Man­del wur­de von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten als „Eh­ren­häft­ling“ in den deut­schen La­gern fest­ge­hal­ten und im Ju­li 1944 von der fran­zö­si­schen Mi­liz im Wald von Fon­tai­nebleau er­mor­det. Sei­ne Pa­ri­ser Woh­nung war schon früh Ziel deut­scher Raub­kunst-Or­ga­ni­sa­tio­nen.

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Thomas Couture (1815–1879): Portrait of a Seated Young Woman, 1850–1855