„Provenienzforschung darf nicht zur Disposition gestellt werden“

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste warnt vor dem Hintergrund der Corona-Krise davor, an der Provenienzforschung in deutschen Kultureinrichtungen zu sparen,

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste warnt vor dem Hintergrund der Corona-Krise davor, an der Provenienzforschung in deutschen Kultureinrichtungen zu sparen: „Provenienzforschung ist eine Daueraufgabe, die auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen nicht zur Disposition gestellt werden darf“, sagt Gilbert Lupfer, Vorstand der Stiftung in Magdeburg.

Es lie­ge im ur­ei­ge­nen In­ter­es­se von Mu­se­en, Bi­blio­the­ken, Ar­chi­ven und ih­ren Trä­gern zu un­ter­su­chen, ob ih­re Samm­lungs­be­stän­de aus ei­nem Un­rechts­kon­text stam­men, al­so den recht­mä­ßi­gen Ei­gen­tü­mern zum Bei­spiel wäh­rend der NS-Zeit ent­zo­gen wur­den. „Deutsch­land hat hier ei­ne be­son­de­re his­to­ri­sche Ver­ant­wor­tung“, so der Wis­sen­schaft­ler. Die Klä­rung der Her­kunft von Ob­jek­ten müs­se ei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit für kul­tur­gut­be­wah­ren­de Ein­rich­tun­gen sein.

„Pro­ve­ni­enz­for­schung soll­te in den Län­dern und Kom­mu­nen in­sti­tu­tio­nell dau­er­haft ver­an­kert sein. Sie darf nicht vor­über­ge­hen­den fi­nan­zi­el­len Eng­päs­sen ge­op­fert wer­den“, sagt Gil­bert Lup­fer. Er ver­weist auf die ethi­sche Selbst­ver­pflich­tung, die 1999 in der „Ge­mein­sa­men Er­klä­rung“ nie­der­ge­legt wur­de. Bund, Län­der und Kom­mu­nen ver­pflich­ten sich dar­in, dass In­sti­tu­tio­nen nach NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut su­chen und ge­ge­be­nen­falls ge­rech­te und fai­re Lö­sun­gen mit den Nach­fah­ren fin­den. Auch die Su­che nach Kul­tur­gü­tern, die wäh­rend der Ko­lo­ni­al­zeit un­ter frag­wür­di­gen Um­stän­den nach Deutsch­land ge­kom­men sind, wird vom Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te un­ter­stützt. Das Zen­trum för­dert der­zeit Pro­ve­ni­enz­for­schungs-Pro­jek­te in rund fünf Dut­zend Mu­se­en, Bi­blio­the­ken und Ar­chi­ven für ei­nen Zeit­raum von ma­xi­mal drei Jah­ren. „Dies kann ei­ne fes­te Ver­an­ke­rung die­ser lang­fris­ti­gen Auf­ga­be in den Samm­lungs­ein­rich­tun­gen je­doch nicht voll­stän­dig er­set­zen“, sagt Gil­bert Lup­fer.

Zur Un­ter­stüt­zung vor dem Hin­ter­grund der Co­ro­na-be­ding­ten Pro­ble­me bie­tet das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te den kul­tur­gut­be­wah­ren­den Ein­rich­tun­gen be­reits ei­ne Hil­fe­stel­lung an:
htt­ps://www.kul­tur­gut­ver­lus­te.de/Co­ro­na

Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te ist na­tio­nal und in­ter­na­tio­nal der zen­tra­le An­sprech­part­ner zu Fra­gen un­recht­mä­ßi­ger Ent­zie­hun­gen von Kul­tur­gut. Es för­dert Pro­ve­ni­enz­for­schung über fi­nan­zi­el­le Zu-wen­dun­gen. Das Haupt­au­gen­merk des Zen­trums gilt hier­bei dem im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gut ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz (sog. NS-Raub­gut). Kul­tur­gut­ver­lus­te aus die­sem Be­reich wer­den als Such- und Fund­mel­dun­gen seit mehr als 20 Jah­ren in der öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Da­ten­bank „Lost Art“ do­ku­men­tiert.

Da­ne­ben zäh­len kriegs­be­dingt ver­la­ger­te Kul­tur­gü­ter (sog. Beu­te­gut) so­wie Kul­tur­gut­ver­lus­te wäh­rend der so­wje­ti­schen Be­sat­zung und in der DDR zu den Hand­lungs­fel­dern des Zen­trums. Seit April 2018 be­fasst sich das Zen­trum zu­dem mit Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten. Der Bund, die Län­der und die drei kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de ha­ben das Zen­trum zum 1. Ja­nu­ar 2015 als rechts­fä­hi­ge Stif­tung bür­ger­li­chen Rechts mit Sitz in Mag­de­burg ge­grün­det.