Verstärkung der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu NS-Raubgut

Kooperationsvereinbarung zur deutsch-französischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Provenienzforschung zur Identifizierung von NS-Raubgut und zur Förderung fairer und gerechter Lösungen unterzeichnet

Gestern Abend wurde in der Französischen Botschaft in Berlin in Anwesenheit der Botschafterin Anne-Marie Descôtes eine Kooperationsvereinbarung zur deutsch-französischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Provenienzforschung zur Identifizierung von NS-Raubgut und zur Förderung fairer und gerechter Lösungen unterzeichnet.

Part­ner der Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung sind das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te (Zen­trum), die Com­mis­si­on pour l‘in­dem­ni­sa­ti­on des vic­ti­mes de spo­lia­ti­ons in­ter­ve­n­ues du fait des lé­gis­la­ti­ons an­tisé­mi­tes en vi­gueur pen­dant l‘Oc­cu­pa­ti­on (CIVS) und die Missi­on de re­cher­che et de re­sti­tu­ti­on des biens cul­tu­rels spo­liés ent­re 1933 et 1945 du mi­nistè­re de la Cul­ture (M2RS).

Die Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung sieht ei­ne en­ge und ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit bei der Su­che nach und der Er­for­schung von NS-Raub­gut, der Do­ku­men­ta­ti­on so­wie der Öf­fent­lich­keits­ar­beit vor. Die Ver­ein­ba­rung vers­te­tigt und er­wei­tert den be­reits bei der Auf­ar­bei­tung des Kunst­funds Gur­litt er­folg­reich prak­ti­zier­ten In­for­ma­ti­ons­aus­tausch zwi­schen dem Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te und der CIVS. Vor­ge­se­hen sind re­gel­mä­ßi­ge Tref­fen und ge­mein­sa­me Ver­an­stal­tun­gen. Die Ko­ope­ra­ti­ons­part­ner set­zen ei­ne ge­mein­sa­me Ar­beits­grup­pe ein, um die ak­tu­el­len The­men der Zu­sam­men­ar­beit auf­zu­be­rei­ten und die Um­set­zung zu be­glei­ten.

Die Vor­sit­zen­de des Stif­tungs­ra­tes des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te, Staats­mi­nis­te­rin Prof. Mo­ni­ka Grüt­ters, er­klärt: „Mit der Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung rea­li­sie­ren wir ei­nen wei­te­ren Schritt zur ef­fek­ti­ven Um­set­zung der Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en von 1998, die mit ih­rer For­mu­lie­rung der ‚ge­rech­ten und fai­ren‘ Lö­sun­gen welt­weit Maß­stä­be ge­setzt ha­ben. Ent­schei­den­de Grund­la­gen der Pro­ven­ienz­re­cher­che sind Trans­pa­renz und Ver­net­zung, denn die ge­raub­ten und ent­zo­ge­nen Kunst­wer­ke sind in vie­le Tei­le der Welt ver­streut. Das be­trifft auch Ar­chiv­ma­te­ria­li­en, die Auf­schluss ge­ben kön­nen. Da­her ist ei­ne in­ter­na­tio­na­le Zu­sam­men­ar­beit be­son­ders wich­tig. Die un­ter­zeich­ne­te Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung ist zu­dem ein wei­te­rer Aus­druck der en­gen deutsch-fran­zö­si­schen Freund­schaft und Part­ner­schaft auch im Kul­tur­be­reich.“

Der haupt­amt­li­che Vor­stand des Deut­schen Zen­trums Kul­tur­gut­ver­lus­te, Rü­di­ger Hüt­te: „Mit der Ko­ope­ra­ti­on wer­den die deut­schen und fran­zö­si­schen Er­geb­nis­se auf dem Ge­biet der Pro­ve­ni­enz­for­schung zur Iden­ti­fi­zie­rung von NS-Raub­gut und zur För­de­rung fai­rer und ge­rech­ter Lö­sun­gen zu­sam­men­ge­führt; durch den Aus­tausch der For­schungs­er­kennt­nis­se und wis­sen­schaft­li­cher Ex­per­ti­se wer­den auch die für das ge­mein­sa­me Ziel wich­ti­gen in­sti­tu­tio­nel­len Netz­wer­ke zwi­schen bei­den Län­dern ge­stärkt.“

Die Bot­schaf­te­rin der Fran­zö­si­schen Re­pu­blik in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, An­ne-Ma­rie De­scôtes: „Die­se Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung stärkt die deutsch-fran­zö­si­sche Syn­er­gie in ei­nem Be­reich, in dem wir bes­ser wer­den müs­sen: der Rück­ga­be von Kul­tur­gut. Da­mit er­grei­fen wir die In­itia­ti­ve, un­se­re Res­sour­cen, Werk­zeu­ge und Me­tho­den ge­mein­sam zu nut­zen, denn die Pro­ve­ni­enz­for­schung kann nur grenz­über­schrei­tend funk­tio­nie­ren. Sie muss auf die For­de­run­gen der Op­fer von Ent­eig­nun­gen, ih­rer Fa­mi­li­en und Er­ben ant­wor­ten. Die neue fran­zö­si­sche Or­ga­ni­sa­ti­on zur Rück­ga­be von NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut ist kon­se­quent auf Deutsch­land aus­ge­rich­tet; die­se Part­ner­schaft för­dert ei­ne star­ke Aus­tausch­dy­na­mik, die uns ins­be­son­de­re die In­no­va­ti­ons­kraft der deutsch-fran­zö­si­schen Freund­schaft in den Be­rei­chen Kul­tur und Er­in­ne­rung vor Au­gen führt“.

Der Prä­si­dent der CIVS, Mi­chel Jean­nou­tot, sag­te: „Als star­kes Zei­chen für die Ver­an­ke­rung der CIVS in ei­ner in­zwi­schen kon­so­li­dier­ten Part­ner­schaft mit dem Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te stärkt die­se Ko­ope­ra­ti­ons­ver­ein­ba­rung den fach­li­chen Dia­log und den In­for­ma­ti­ons­aus­tausch im Be­reich des NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­guts. In Rah­men der An­nä­he­rung und Ver­net­zung der eu­ro­päi­schen Re­sti­tu­ti­ons­kom­mis­sio­nen, die sich für die Rück­ga­be von NS-Raub­gut ein­set­zen, zeugt die­se Zu­sam­men­ar­beit durch ih­re Ein­zig­ar­tig­keit und Stär­ke vom Wil­len un­se­rer bei­den Län­der, die Um­set­zung der Wa­shing­to­ner Grund­sät­ze neu zu be­le­ben.“

Der Lei­ter der M2RS, Da­vid Zi­vie er­klär­te: „Die Un­ter­zeich­nung die­ser Ko­ope­ra­ti­on ist sym­bo­lisch ein wich­ti­ger Akt, denn es ist die ers­te kon­kre­te Hand­lung der neu­en Missi­on de re­cher­che et de re­sti­tu­ti­on des biens cul­tu­rels spo­liés ent­re 1933 et 1945, die erst vor ei­ni­gen Ta­gen im fran­zö­si­schen Kul­tur­mi­nis­te­ri­um ein­ge­rich­tet wur­de. Es ist wich­tig, mit der An­nä­he­rung an un­se­re deut­schen Part­ner zu be­gin­nen: Die Ent­wick­lung ei­nes For­scher- und Ex­per­ten­netz­werks ist ein grund­le­gen­des Ele­ment un­se­rer Ar­beit, um schnel­ler vor­an­zu­kom­men, um uns ge­gen­sei­tig zu un­ter­stüt­zen und um In­for­ma­tio­nen über un­se­re ge­mein­sa­men Fäl­le aus­tau­schen.“

Zu den Ko­ope­ra­ti­ons­part­nern:

Zum Zen­trum: Das Deut­sche Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te ist na­tio­nal und in­ter­na­tio­nal der zen­tra­le An­sprech­part­ner zu Fra­gen un­recht­mä­ßi­ger Ent­zie­hun­gen von Kul­tur­gut in Deutsch­land im 20. Jahr­hun­dert. Das Haupt­au­gen­merk des Zen­trums gilt hier bei dem im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gut ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz (sog. NS-Raub­gut). Grund­la­ge für sei­ne Ar­beit in die­sem Be­reich sind die 1998 ver­ab­schie­de­ten Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en, zu de­ren Um­set­zung sich Deutsch­land im Sin­ne sei­ner his­to­ri­schen und mo­ra­li­schen Selbst­ver­pflich­tung be­kannt hat (Ge­mein­sa­me Er­klä­rung von 1999). Da­ne­ben zäh­len kriegs­be­dingt ver­la­ger­te Kul­tur­gü­ter (sog. Beu­te­gut) so­wie Kul­tur­gut­ver­lus­te wäh­rend der so­wje­ti­schen Be­sat­zung und in der DDR zu den Hand­lungs­fel­dern des Zen­trums. Schließ­lich be­fasst sich das Zen­trum mit Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten. Das Zen­trum för­dert Pro­ve­ni­enz­for­schung über fi­nan­zi­el­le Zu­wen­dun­gen und do­ku­men­tiert Kul­tur­gut­ver­lus­te als Such- und Fund­mel­dun­gen in sei­ner öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Da­ten­bank „Lost Art“. Der Bund, al­le Län­der und die drei kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de ha­ben das Zen­trum 2015 als rechts­fä­hi­ge Stif­tung bür­ger­li­chen Rechts mit Sitz in Mag­de­burg ge­grün­det.

Zur CIVS: Die 1999 ge­grün­de­te Kom­mis­si­on für die Ent­schä­di­gung der Op­fer von Ent­eig­nun­gen auf­grund der an­ti­se­mi­ti­schen Ge­setz­ge­bung wäh­rend der Ok­ku­pa­ti­ons­zeit (CIVS) ist ei­ne Be­hör­de, die dem Pre­mier­mi­nis­ter un­ter­steht. Die CIVS ist für die Prü­fung und Be­ar­bei­tung von Ent­schä­di­gungs­an­trä­gen zu­stän­dig, die von Op­fern von Ent­eig­nun­gen, ih­ren Fa­mi­li­en und Er­ben an den fran­zö­si­schen Staat ge­stellt wur­den. Zu­sätz­lich zur his­to­ri­schen For­schung schlägt die Kom­mis­si­on Wie­der­gut­ma­chungs­maß­nah­men durch Ent­schä­di­gungs- oder Re­sti­tu­ti­ons­emp­feh­lun­gen vor. Da­zu zäh­len die Plün­de­rung von Woh­nun­gen, die Ent­eig­nung von Be­rufs- und Im­mo­bi­li­en­be­sitz, die Be­schlag­nah­mung von Bank­gut­ha­ben, die Pfän­dung von Ver­si­che­rungs­po­li­cen so­wie der Dieb­stahl und Zwangs­ver­kauf von Kul­tur­gut, so­wohl durch den Be­sat­zer als auch durch das Vichy-Re­gime. Mit ei­ner er­wei­ter­ten Emp­feh­lungs­ka­pa­zi­tät und ei­nem ver­stärk­ten Emp­feh­lungs­ko­mi­tee mit vier neu­en Ex­per­ten aus den Be­rei­chen Kunst­ge­schich­te, Kunst­markt, Ge­schich­te des Zwei­ten Welt­kriegs und Kul­tur­er­be ist die CIVS für je­de an­ti­se­mi­ti­sche Ent­eig­nung, die in Frank­reich wäh­rend der Ok­ku­pa­ti­ons­zeit statt­fand, zu­stän­dig. Im Jahr 2019 ar­bei­tet die CIVS im Rah­men der Neu­struk­tu­rie­rung der fran­zö­si­schen Re­sti­tu­ti­ons­po­li­tik in Be­zug auf NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nes Kul­tur­gut eng mit der M2RS des Kul­tur­mi­nis­te­ri­ums zu­sam­men.

Zur M2RS: Die kürz­lich im April 2019 ge­grün­de­te Missi­on de re­cher­che et de re­sti­tu­ti­on des biens cul­tu­rels spo­liés ent­re 1933 et 1945 ist ei­ne neu ein­ge­rich­te­te Be­hör­de des Kul­tus­mi­nis­te­ri­ums, die für die Lei­tung der fran­zö­si­schen Re­pa­ra­ti­ons­po­li­tik und Er­in­ne­rungs­kul­tur in Be­zug auf NS-Raub­kunst zu­stän­dig ist. Die Missi­on ist für die Ko­or­di­na­ti­on al­ler Maß­nah­men ver­ant­wort­lich, um ent­eig­ne­te Kunst­wer­ke und de­ren Be­sit­zer zu iden­ti­fi­zie­ren, ih­ren Ver­bleib bes­ser zu ver­ste­hen, sie der Öf­fent­lich­keit zu prä­sen­tie­ren und zu re­sti­tu­ie­ren. Als Steue­rungs­be­hör­de prüft die Missi­on auch Re­sti­tu­ti­ons- und Ent­schä­di­gungs­fäl­le, be­vor sie zur Emp­feh­lung ei­ner Ent­schei­dung an das CIVS wei­ter­ge­lei­tet wer­den. Dar­über hin­aus ar­bei­tet die Missi­on eng mit Mu­se­en, Bi­blio­the­ken, Ar­chi­ven und For­schungs­ein­rich­tun­gen in Frank­reich und im Aus­land zu­sam­men.

Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen Zentrum, CIVS und M2RS; v. l. n. r.: Präsident der CIVS, Michel Jeannoutot; Leiter der M2RS, David Zivie; Botschafterin der Französischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland, Anne-Marie Descôtes; hauptamtlicher Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, Rüdiger Hütte Quelle: K. Steinbach - Französische Botschaft